„Zerrissene Umarmungen“ – Filmkritik

Handlung

Der blinde Drehbuchautor Harry Caine bekommt Besuch von dem jungen, zwielichtig erscheinenden Regisseur Ray X. Es stellt sich heraus das dieser der Sohn des kürzlich verstorbenen Millionärs Ernesto Martel ist, welcher die intriganten Machenschaffen seines Vaters in einem Spielfilm enthüllen will.

Harry erinnert sich an Ernesto Martel. Vor über einem Jahrzehnt war dieser Produzent des Filmes Frauen und Koffer. Harry Caine war Anfang der 90er unter seinem richtigen Namen, Mateo Blanco, ein aufstrebender Regisseur. Bei dem Casting zu Frauen und Koffer lernt er die attraktive Lena kennen. Die Geliebte von Martel bekommt die Hauptrolle und zwischen ihr und Mateo entspinnt sich eine leidenschaftliche Affäre. Der Eifersüchtige Martel beauftragt seinen Sohn einen Dokumentarfilm über die Dreharbeiten zu erstellen und Lena auf Schritt und Tritt zu überwachen. Als die Liebesgeschichte aufgedeckt wird schafft es Lena, sich von dem besitzergreifenden Ernesto Martel zu trennen.

Doch ein tragischer Autounfall, bei dem Lena ihr Leben und Mateo sein Augenlicht verliert, beendet ihr kurzes Glück.

Zurück im Jahr 2008 offenbart Judit, eine langjährige Freundin und Produzentin von Mateo, nicht nur ihm sondern auch ihrem Sohn Diego Geheimnisse über die Ereignisse von damals, welche überraschende Erkenntnisse hervorbringen.


Meinung

Ein weiteres virtuos inszeniertes Filmwerk des spanischen Kultregisseurs Pedro Almodóvar. Die Handlung springt von Genre zu Genre: Komödie, Thriller, Drama. Und trotz der Zeitsprünge und Film im Film Einstellungen entwickelt sich die Geschichte durchaus schlüssig und nachvollziehbar. Es ist möglich das Fans von Pedro Almodóvars trashigeren Werken wie Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs oder Mein blühendes Geheimnis etwas enttäuscht werden. Bis auf die Sequenzen von dem Film Frauen und Koffer, welche an Almodóvars Erstlingswerk Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs erinnern, sind die Szenen nicht mehr ganz so bunt wie in manch anderen Produktionen von ihm. Die emotionale Spannung Almodóvars bleibt jedoch aufrechterhalten. Vielmehr könnte man sogar von einer Weiterentwicklung des Regisseurs sprechen. Wie so oft spiegelt Almodóvar in der Handlung mehrere Realitätsebenen wieder. Durch die Sprünge in die Vergangenheit und die zusätzlichen Charaktere in Frauen und Koffer erschafft er unterschiedliche Blickwinkel auf die Hauptdarsteller.

„Wenn man so will, ist Zerrissene Umarmungen eine Auseinandersetzung des Kinos mit sich selbst. Die Bilder werden durch andere Bilder gespiegelt, was mich fasziniert. Kino ist zwar ein Spiegel der Wirklichkeit, aber eben auch auf multiple Weisen ein Spiegel seiner selbst.“, meint Almodóvar in einem Interview über Zerrissene Umarmungen.

Nach den Erfolgen von Alles über meine Mutter, Sprich mit ihr und Volver dreht Penélope Cruz bereits zum vierten Mal zusammen mit Almodóvar. Die Beiden sind auch im wirklichen Leben eng befreundet und für eine Rolle in seinen Filmen lässt die Oscarprämierte Schauspielerin alles stehen und liegen. In einem Interview verrät Penélope Cruz, dass der Wunsch Schauspielerin zu werden erst in ihr aufkam, nachdem sie als Teenager Almodóvars Fessle mich! Im Kino angeschaut hatte. In Zerrissene Umarmungen präsentiert Cruz dem Zuschauer ein weiteres Mal ihr darstellerisches Können. Zu Anfang ist die Sekretärin Lena eher ein schüchterner, bedrückter Mensch. Im Laufe der Handlung stellt sich heraus das sie gelegentlich in einem Bordell unter dem Namen Severine arbeitet. Nachdem Lena zwei Jahre mit Martel zusammen gewohnt hat präsentiert sich dem Zuschauer eine Selbstbewusste, an Reichtum gewöhnte Frau. Nicht zu vergessen ist die Rolle der Pina, welche Cruz in dem Referenzfilm Frauen und Koffer übernimmt. Almodóvar spielt mit jeder dieser Figuren bewusst auf Frauencharaktere aus der Filmgeschichte an. Severine bezieht sich auf Buñuels Belle de jour mit Catherine Deneuve und für den Regisseur spielt Lena sowohl Audrey Hepburn wie auch Marilyn Monroe.

Zudem präsentiert Pedro Almodóvar dem Zuschauer wie gewohnt die unterschiedlichsten und verworrensten Familienverhältnisse. Da ist der von der Liebe verlassene Harry, welcher sich mit flüchtigen Sexaffären begnügt, die Alleinerziehende und Erfolgreiche Judit, die ihrem Sohn niemals die Wahrheit über seinen Vater erzählt hat und Ernesto Martels schwuler Sohn, welcher sich erst nach zwei Ehen geoutet hat. Almodóvar ist es wichtig Familien so darzustellen, wie sie in der Realität sind und nicht, wie sie dem Zuschauer in der verklärten Welt vieler Filme vorgegaukelt wird.

Hervorzuheben ist ebenfalls die Kameraarbeit von Rodrigo Prieto, welcher die Vulkanlandschaft Lanzerotes wie auch die Szenensprünge zwischen dem knallbunten Frauen und Koffer und der dazugehörigen, graueren Realität in Zerrissene Umarmungen exzellent in Szene gesetzt hat.

Alles in allem eine gut inszenierte Verbeugung vor den alten Meistern der Filmkunst und eine abermals gelungene Darstellung menschlicher Irrungen und Wirrungen, wie sie nur Pedro Almodóvar zustande bringt.

Harry Caine/Mateo Blanco: Lluis Homar
Ray X: Rubén Ochandiano
Ernesto Martel: José Luis Gómez

Lena Rivero:
Penélope Cruz
Judit Garcia: Blanca Portillo
Diego Garcia: Tamar Novas

Regie: Pedro Almodóvar | Spanien, 2009

Länge: 127 min | FSK: ab 12 | Buch: Pedro Almodóvar | Kamera: Rodrigo Prieto | Szenenbild: Antxon Gómez | Schnitt: José Salcedo | Musik: Alberto Iglesias | Produktion: Agustin Almodóvar, Esther García

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